Recycling um jeden Preis?
Im Kampf gegen Kunststoffabfälle soll es neben mechanischer Wiederverwertung, wie wir es bei GRAF angehen, eine weitere Methode geben: chemisches Recycling. Seit wenigen Jahren sorgt der Begriff für Wirbel in der Branche. Aber sind diese Verfahren wirklich eine Alternative?
Plastikabfällen den Kampf ansagen: Das ist eine unserer Mission bei GRAF
Und so werden im Kompetenzzentrum Rohstoffe in Herbolzheim Kunststoffe aus kurzlebigen Verpackungen so sortiert, eingeschmolzen und aufbereitet, dass daraus wieder neue nachhaltige und vor allem langlebige Umweltprodukte entstehen. Mechanisches bzw. werkstoffliches Recycling nennt sich dieses aufwendige Prozedere.
Einen völlig anderen Ansatz verfolgt das chemische Recycling. Dabei werden Kunststoffabfälle in ihre chemischen Grundbausteine zerlegt – wie zum Beispiel im bekanntesten und meistdiskutierten Verfahren: der Pyrolyse. Die Kohlenstoffverbindungen werden dabei so verarbeitet, dass in diesem Fall ein Öl entsteht – die Basis für neue Kunststoffe.
Aufgekommen ist das Thema 2018 und wurde medial sehr schnell präsent. Die Rede ist teils von einer Wunderwaffe im Kampf gegen Plastikmüll. Eine tiefgehende Erforschung des Themas, geschweige denn eine offizielle Definition für den Begriff gibt es allerdings bis heute nicht. Also, was ist dran an der Wunderwaffe? Nicht viel, findet Dr. Dirk Textor, Vorsitzender im Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. und Teil unseres GRAF Teams.
Der CO2-Fußabdruck von chemischem Recycling ist verheerend schlecht
Grund dafür ist das aufwendige, energieintensive und damit auch teure Verfahren, das dahintersteckt. Weil Kunststoff ein sehr stabiles Material ist, muss viel Energie aufgebracht werden, um die Kohlenstoffverbindungen zu knacken. „Der CO2-Fußabdruck ist dabei deutlich größer, wie wenn ich aus nicht recyceltem Öl neuen Kunststoff herstelle, Ressourcenschonung hin oder her“, so Textor. Beim mechanischen Recycling durch Kunststoffrezyklat, so wie wir es angehen, sieht es schon anders aus. Der CO2-Fußabdruck fürs mechanische Recycling ist klein und im Verhältnis zur Neuwarenproduktion kann viel CO2 eingespart werden. „Mechanisches Recycling sollte für alle Abfälle, bei denen es möglich ist, immer der erste Weg sein“, so Dr. Julia Vogel vom Umweltbundesamt. Dazu kommet auch noch der ökonomische Vorteil: „Chemisches Recycling ist recht teuer, gerade im Vergleich zum mechanischen Recycling“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin für Abfalltechnik und -techniktransfer.

Chemisches Recycling kann verglichen mit mechanischen Verfahren also nicht mithalten. Nur im Vergleich zur Müllverbrennung hat chemisches Recycling Vorteile: „Eine kürzlich vom Umweltbundesamt durchgeführte Studie zeigt, dass beim chemischen Recycling im Vergleich zur Verbrennung von Kunststoffabfällen Treibhausgasemissionen eingespart werden. Wir sehen chemisches Recycling deshalb als mögliche Ergänzung an“, sagt Dr. Julia Vogel. Die Idee dahinter: Die Reste aus mechanischen Recyclingprozessen könnten chemisch weiterverarbeitet werden und damit die Lücke zur energetischen Verwertung schließen. Laut Textor ist das allerdings unzutreffend. „Wir bei GRAF wissen von anderen Firmen nur zu gut, wie hoch die Anforderungen an Kunststoffe für die Pyrolyse sind. Schaut man sich etwa die Sortierung der gelben Tonne an, dann wird schnell klar, welcher Stoffstrom für chemisches Recycling geeignet ist: jener, der heute zu großen Teilen mechanisch verwertet wird.“
Warum ist das Thema dann trotzdem in aller Munde?
Pyrolyse ist keine neue Entdeckung. Schon in den 1930er-Jahren gab es die Kohle-Öl-Anlage in Bottrop, die Pyrolyse wurde Ende der 1990er-Jahre in Deutschland allerdings eingestellt. Damals habe sich das Verfahren wirtschaftlich nicht mehr gelohnt, doch heute gäbe es neue Anreize, vermutet Textor: „Der Gesetzgeber fordert die Kreislaufführung von Verpackungen. Auf dem Papier erfüllt chemisches Recycling diese Anforderung, was Politik und Chemieindustrie gleichermaßen erfreuen dürfte.“ Aktuell findet chemisches Recycling in Deutschland kaum Anwendung. Weniger als ein Prozent aller Kunststoffabfälle werden jährlich chemisch recycelt. „Die Ausbeute beim chemischen Recycling ist so gering, das hat mit Kreisläufen wenig zu tun. Aufgrund der positiveren CO2-Bilanz wäre die konsequente Förderung des mechanischen Recycling die deutlich reizvollere Alternative.“, sagt Textor mit Blick in die Zukunft.